Donnerstag, 24.04. - mal wieder ein Lebenszeichen ;-)

Bevor sich hier einige vielleicht Sorgen machen, nicht mehr schlafen können oder gar Gerüchte aufkommen, geb ich mal lieber wieder ein Lebenzeichen von uns.

Alle leben noch, alle sind gesund, keiner ist inhaftiert oder wird von irgendwelchen Geheimdiensten gesucht, kurzum - die Familie ist noch intakt.

Das ist aber dann auch schon so ziemlich das Einzigste, was gut am Laufen ist.

Alles niederzuschreiben, was mich/uns letzte Woche so aus der Bahn geworfen hat, würde Bücher füllen. Aber ich fange einfach mal an, zu schreiben...............

Letzter bekannter Sachstand war ja vom letzten Dienstag, dass der Vertrag mit dem neuen Hausboy unterschrieben ist. Und da hatte ich ihn auch zum letzten Mal gesehen - bis heute.
Aber der Reihe nach..........
Wir dachten uns, die paar Tage, bis er richtig anfängt, könne wir überbrücken, jeder packt mit an, da ist schnell mal durch´s Haus geputzt Aber mit schnell ist hier mal schon gar nichts und die Kinder muss man schon reichlich motivieren, mit anzupacken. Egal, welche Hausarbeit ich gemacht habe, nach nicht mal 10 Minuten klebte die Klamotte am Leib wie eine zweite Haut. So oft kann man gar nicht duschen gehen.

Am Montag morgen haben wir dann natürlich voller Erwartung auf Joseph gewartet. Leider umsonst. Also war der erste Weg am Morgen in die Agentur, um mal meinen Frust darüber loszuwerden. Und ich bin ihn damit an der richtigen Stelle losgeworden.
Natasha erklärte mir, dass sie nur Angestellte vermitteln, die einen Bürgen bringen, der eine Garantie übernimmt. Und genau mit diesem Bürgen für Joseph gab es wohl Probleme, deshalb hatte Natasha ihm gesagt, er soll Montag noch nicht bei uns anfangen, sondern erst einen neuen Bürgen bringen. Das ist ja soweit auch in Ordnung - es wäre nur echt toll gewesen, wenn ich was davon gewusst hätte. Tja, das hat sie dann mir gegenüber auch als ihren Fehler zugegeben und sich ausgiebig entschuldigt.
Das hat allerdings nichts an meiner Situation im Haus geändert, mittlerweile seit 10 Tagen ohne Putzhilfe. Und es ist einfach alleine nicht zu schaffen hier. Es wurde uns also langsam wirklich dringend, jemanden zu finden. Bei den Vorstellungsgesprächen hatte ich ja noch mit einer Hausmaid geredet, sie hatte recht gute Unterlagen und da nicht absehbar war, dass in den nächsten Tagen ein Boy vermittelbar war, haben wir kurzerhand wieder umgeschwenkt und uns halt für Vida entschieden Sie war auch bereit, sofort anzufangen, das heisst Dienstag morgen.

Sie war auch pünktlich da, hat die Küche aufgeklart und mit Bügeln angefangen Am Nachmittag wollte sie dann los, um ihre Sachen zu holen.
Am Mittwoch morgen kam sie dann schon mit ein paar Minuten Verspätung und hat sich als erstes wieder in der Küche an die Arbeit gemacht. Dani ist dann in die Arbeit, ich mit den Kindern in die Schule und danach zum Einkaufen in die Stadt. Vida hatte ich Anweisungen gegeben, was alles zu tun war. Gegen 11 Uhr war ich wieder zu Hause, habe meine Einkäufe verstaut, wollte mir dann erst mal in Ruhe auf der Terrasse eine kühle Cola und eine Zigarette gönnen. Leider war ich vorher noch auf Toilette und habe dabei festgestellt, dass sie da noch keinen Handschlag getan hatte. Nach einem kurzen Kontrollgang durchs Haus war mir schnell klar, dass sie ausser dem bischen Aufwasch am Morgen noch rein gar nichts gemacht hatte. Und ich meine wirklich nichts. Ich habe sie gefragt, was sie denn in den letzten 4 Stunden gemacht hat, ich bekam keine Antwort. Das Einzigste, was ich von ihr hörte, war "I´m so sorry"
Kurz und bündig habe ich sie gebeten, ihre Sachen wieder einzupacken und einfach wieder zu gehen. No food for lazy people!
Nach 10 Minuten war der Spuk vorbei, Vida gehörte der Vergangenheit an und ich habe mir auf der Terrasse eine Cola aufgemacht und eine Zigarette angezündet.
Und dann ist es einfach passiert mit mir. Alles, was sich an Stress, Frust und Ärger in letzter Zeit aufgestaut hatte, musste raus. Also bin ich einfach in mich zusammengebrochen und habe den Tränen freien Lauf gelassen. Manchmal muss es einfach sein, vorallem nach solch einer Woche, in der einfach gar nichts so richtig klappen will. Unter Schluchzen habe ich noch Bettina angerufen, sie möge bitte einen Ersatz für mich für die Bibliothek in der Schule organisieren, denn dazu habe ich mich beim besten Willen und Wollen nicht mehr in der Lage gefühlt. Dani hat Julian und Philipp aus der Schule geholt, ich wollte einfach nicht mehr raus. Das Gefühl, ganz unten zu sein, in einem Tunnel zu stecken und kein Licht zu sehen, muss man einfach durchleben. Man weiss, es geht vorbei, viel schlimmer kann es eigentlich nicht werden, aber bis dahin fliessen halt eine Menge Tränen, die hoffentlich diesen ganzen Frust mit wegspülen. Und von diesem Frust, der zum Großteil aus Enttäuschung herrührt, gibt es zur Zeit jede Menge. Es ist schwer, das hier im Einzelnen zu vermitteln, vieles würde unglaubhaft klingen, belanglos oder gar lächerlich. Es können wohl nur Menschen verstehen, die auch hier leben oder gelebt haben. Es ist manchmal für uns sehr schwer, mit der Mentalität der Ghanaer klarzukommen, den Spagat zwischen Anpassung, Integration, Toleranz und Verständnis zu meistern ohne dabei sich selbst, die eigenen Interessen und Ideale aufzugeben. Wenn die Bedeutungen von Dingen wie Zuverlässigkeit, Ordnung, Pünktlichkeit, Verantwortung zu unterschiedlich sind, dann kommt der normale Europäer schon oft an die Grenzen seelischer Belastbarkeit. Dann kann man sich daran aufreiben, sich darüber aufregen, einen Nervenzusammenbruch bekommen. Danach kommt die Resignationsphase, es regt einen plötzlich nicht mehr auf, egal was passiert, man nimmt es gelassen hin, es ist eh nicht zu ändern. Man fragt sich, warum tut man sich das an, wofür, wozu, hat eh alles keinen Sinn. Man wünscht sich eine One Way Ticket nach Deutschland. Aber nur ganz kurz. Denn im Grunde genommen ärgert man sich dort wohl genauso, halt nur über andere Dinge, hier in Ghana ist es wenigstens warm und schönes Wetter. Da heule ich doch lieber im Kurzen T-Shirt auf der Terrasse als in einer Wolldecke auf der Couch in Deutschland.
Dann kommt Wut dazu, Wut darüber, wie sehr man sich doch abhängig gemacht hat, wie man die Zügel aus der Hand gegeben hat. Also müssen Ideen her, wie man wieder Oberhand gewinnt und das eigene Leben selber bestimmt und sich nicht durch die Unzuverlässigkeit anderer lenken lässt. Diese Wut verpasst einem dann den nötigen Ruck, die Kraft, den Hintern zu heben und etwas zu unternehmen.
Deshalb war heute morgen mein erster Schritt in Richtung Selbstbestimmung wieder der Weg in die Agentur zu Natasha. Ich hatte mir vorher im Kopf zurechtgelegt, was ich sage, was ich will und das wollte ich zu 100% durchsetzen.
9 Uhr war ich dort und habe ruhig und bestimmt in einer Tonart, die kein Aber zulässt, gesagt, dass ich genau 13 Uhr wiederkommen werde Hausboys vorgestellt bekommen möchte, die bereit sind, sofort mit der Arbeit anzufangen. Und sofort bedeutet sofort, nicht irgendwann nächste Woche oder nächsten Monat. Überall wird gejammert über Armut, zu wenig Geld usw.
Wir suchen händeringend eine Haushaltshilfe, die für gute Arbeit für hiesige Verhältnisse auch gutes Geld bekommt und werden nur hingehalten. Alle suchen Arbeit, aber komischerweise bloss nicht sofort, aber wenn es geht, schon einen Vorschuss vom Gehalt.
Hallo?
Leider haben wir aus falscher Rücksicht bisher immer wieder nachgegeben, fadenscheinige Begründungen hingenommen und den Ärger darüber geschluckt.
Aber nicht heute. Punkt 13 Uhr war ich wieder bei Natasha, wir haben uns erst mal in Ruhe unterhalten und ich habe ihr meinen ganzen Ärger in Sachen Personal erzählt. Sie hatte vollstes Verständnis, begründet auf eigenen Erfahrungen, sie hatte auch schon mehr als genug ausprobiert, das Passende für ihr Leben hier zu finden. Gemeinsam haben wir meine Forderungen und Bedingungen abgestimmt und ein Kandidat war dann passend - Joseph.
Denn inzwischen hatte sich ein Bürge für ihn gefunden und seine Papiere waren vollständig.
Also hat es heute mal schon was gebracht, einfach nur selbstsicher und überzeugend genug aufzutreten, denn 13.45 Uhr stand er bei uns und hat gebügelt.
Es gibt eine Menge aufzuarbeiten, vorallem Bügelwäsche. Was er heute an fertiger Arbeit abgelieferte, hat uns erstmal überzeugt, die Shirts waren akkurat gelegt und faltenfrei.
Morgen früh ist regulärer Arbeitsbeginn, schrittweise Einführung, was wie genau zu tun ist und in jeder freien Minute wird gebügelt. Laut Natashas Aussage sind arbeitsmässig Männer hier um einiges belastbarer als Frauen, die sich dann doch eher gerne mal auf ein Nickerchen verziehen, wenn die Arbeit zuviel wird. Ob dem wirklich so ist, wird sich in den nächsten Tagen rausstellen.

Mir ist es jetzt nicht wirklich leicht gefallen, zu schreiben, mag sein, dass es etwas durcheinander wirkt. Wenn ja, spiegelt es vielleicht ein bischen unseren derzeitigen Gemütszustand wider. Ich habe halt einfach mal angefangen, draufloszuschreiben. Es gibt noch eine Menge mehr zu berichten, das nehme ich mir aber für die nächsten tage vor, für heute ist erst mal Schluss.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

gut, dass Du wieder da bist!!!
A.L.