Klein, aber nicht unbedingt fein

Fast ein Jahr lang gehen nun unsere 3 Kids wieder in Deutschland zur Schule.

Jeder hatte dabei mit ganz unterschiedlichen Problemen zu kämpfen.

Rein schulisch gesehen hatte es Chris wohl am schwersten.
Dazu hatte ich ja schon mal was geschrieben.
Mittlerweile geht er in die 8. Klasse auf der Realschule.
Klingt jetzt ganz normal, ist es aber nicht wirklich, denn eigentlich wäre er schon in der 10. Klasse.
Okay, ein 16jähriger in der 8. Klasse mag auch nicht so ganz ungewöhnlich sein, sitzenbleiben kann passieren.
Allerdings ist er nicht sitzengeblieben, er wurde zurückgestuft um ganze 2 Jahre!
Das war anfangs für uns echt gewöhnungsbedürftig, denn Chris ist laut Gutachten ein überdurchschnittlich intelligentes Kerlchen. Also an Grips magelt es ganz sicher nicht.
Aber was er nicht weiss, das weiss er eben nicht.
Wie auch, wenn er es nie gelernt bekommen hat.
Und genau da machen sich die Schwachstellen der Schule in Accra bemerkbar.
Ich kenne mich in der Materie nicht gut genug aus, um genau zu sagen, was dort schief läuft in der Oberstufe, ich sehe jetzt nur das Endergebnis.
Und das ist einfach nur eine Katastrophe.
Chris merkt es jetzt fast täglich, was ihm in den verschiedensten Fächern an Stoff fehlt, was hier teilweise schon in der 7. Klasse gelehrt wurde.
Er hat mehr als genug nachzuholen, obwohl er ja eigentlich schon ein halbes Jahr in der 9. Jahrgangsstufe war.
Mit dem Wissen von heute können wir froh sein, dass er nur 2 Jahre zurückgestuft wurde.
Es mag sein, dass für Afrika das Niveau der GSIS (ehemals RMS) genug ist.
Plant man eine weitere Schullaufbahn allerdings in Deutschland, dann würde ich jedem abraten, sein Kind in die Oberstufe der GSIS zu schicken.

Deshalb sind wir im Nachhinein sehr froh, dass wir das Philipp erspart haben und er hier die oberen Klassen machen kann.

Einzig die Grundschule ist akzeptabel, dann haben die Kinder wenigstens noch genug Zeit, in Deutschland Defizite aufzuholen.

Ich weiss, nicht, was die Schulleitung abhält, ein wenig mehr Augenmerk darauf zu legen, wie Schule in Deutschland läuft und sich allgemein mehr anzupassen, dass Schulwechsel vielleicht reibungsloser verlaufen.
Das geht los bei zusammengefassten Fächern wie "Realien", womit in D keiner richtig was anfangen kann, da hier die Fachlehrer ja keinen Schimmer haben, wie es denn im einzelnen Fach ausschaut, das ist wirklich Grundschulniveau.
Ausserdem neigen manche Lehrer anscheinend zu Nachlässigkeiten im sonnigen Ghana. Wie sonst erklärt sich TippEx im Zeugnis ohne Stempel.
Der Rektor der Realschule hat uns hier erst einmal aufgeklärt, dass dieses Zeugnis eigentlich ungültig ist. Er war sehr überrascht, als wir ihm sagten, dass dieses Zeugnis von einer deutschen Lehrerin geschrieben wurde.

Unsre 3 Jungs werden die negativen Altlasten der GSIS irgendwann abgearbeitet haben und einen geraden Weg mit Zukunft gehen können, wie andere damit klar kommen, ist mir schnuppe.

Sicher werden viele an der Schule froh sein, dass ich weg bin, eine weniger, die den Mund aufmacht und nicht jeden Mist jüngerhaft abnickt und befeiert.

Es werden wieder Lehrer gehen und neue Lehrer kommen, voller Enthusiasmus und Idealismus, alles Bewährte über den Haufen werfen und machtvoll wieder einmal alles verschlimmbessern.

Würde mich jemand fragen, ob er sein Kind auf die GSIS schicken soll, würde ich folgendes antworten:

Grundschule bedenkenlos ja
Mittelschule höchstens bis zur 5. Klasse
Oberstufe auf keinen Fall
10. Klasse nie und nimmer!

One year on

Noch 5 Tage und wir sind genau 1 Jahr wieder in Deutschland.
Ein guter Zeitpunkt, mal ein kleines Fazit zu ziehen.

Was wir daraus gelernt haben:

Wenige Stunden können ein ganzes Leben verändern.
Wir verlassen uns nur noch auf uns selbst.
Wir wissen jetzt, wer unsere wahren Freunde sind.
Ich kann manches verzeihen, aber nichts vergessen.
Lebe hier und heute, morgen kann alles vorbei sein.
Traue niemandem, vorallem nicht dem Staat.

Wem ich ohne wenn und aber danken möchte:

Als erstes natürlich meinem Dani. In allen schlimmen Momenten stand er an meiner Seite. Ich hätte mir keinen besseren Beistand wünschen können als ihn. Wir sind gemeinsam an unsere Grenzen und leider auch darüber hinaus gegangen und haben dabei gemerkt, dass wir uns bedingungslos aufeinander verlassen können. Es war wohl mit das Wichtigste im letzten Jahr, dass ich wusste, ich habe jemanden, dem ich blind vertrauen kann. Hätte ich nicht vorher schon gewusst, dass ich ihn liebe, dann wüsste ich es jetzt. Er gab mir nie das Gefühl, es wäre meine Schuld, auch wenn er durch alles wohl die meisten Nachteile hatte.
Wenn ich in allem, was geschehen ist, etwas positives sehen müsste, dann, dass wir uns nur noch näher gekommen sind.

Christoph, der mir in meinen miesesten Zeiten von ganz alleine viel Arbeit abgenommen hat, sich um die Brüder gekümmert hat und Dani in seiner Abwesenheit vertreten hat.
Chris, es tut mir leid, denn das ist nicht wirklich der Job eines 16jährigen.

Meinen Eltern und die ganze Verwandschaft, die in den ersten Stunden und Tagen hier alles möglich gemacht haben, um uns zu helfen.

Kay und Diana, bei denen wir bis heute all unseren Frust, Wut, Ärger und Traurigkeit loswerden konnten.

Bettina & Familie, Gretchen & Familie, die wirklich Good Care in Accra geleistet haben und sich um viele kleine und große Dinge gekümmert haben.

Frau Illing, die als erste Aussenstehende uns gefragt hat, wie es uns geht und dies bis heute noch tut.

Doc Kwesi, der unsere Haustiere trotz künstlich erzeugter Widrigkeiten für den Transport nach Deutschland fertig gemacht hat.

Es gibt noch viele weitere Freunde, die für uns da waren - Danke an alle.

Anstandshalber erspare ich mir die Liste derer, die mich zur Verzweiflung getrieben haben, mich zum Weinen gebracht haben und sich damit für immer und ewig einen festen Platz auf meiner Feindeliste erkämpft haben.

Auf ein paar Bereiche unseres Lebens werde ich in den nächsten Tagen wohl nochmal etwas genauer eingehen, jetzt erst mal Schluss, da mich das alles emotional immer noch sehr aufwühlt.